„Das ist alles Betrug!“ „Oder kein Betrug, ist alles nur intern!“

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Fünf vor zwölf

Offensichtlich überforderte LR-Anwälte. Nicht auffindbare LR-Verträge und kaufmännische Dokumente. LR-Global Sales Director Thomas Heursen, der erst gar nicht kam. LR-Imageträger Ilhan Dogan der zugab, die Entlassung von Jürgen Liebig forciert zu haben. – Dubios ging es zu, beim Prozess LR ./. Yandimoglu am vergangenen Montag in Münster. Hier das Feature der Prozessereignisse.

Wie kann das sein? – diese Frage stellte sich wohl jeder im bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal beim Landgericht Münster. Anberaumt war die mit Spannung erwartete Gerichtsverhandlung Martin Yandimoglu ./. LR Health & Beauty Systems. Angesetzt auf drei Stunden, verschlang der Prozess schließlich acht Stunden Zeit.

Worum ging es? Das Ehepaar Yandimoglu trennte sich im Jahr 2003. Zwischen Martin und Daniela Yandimoglu wurden, wie in solchen Fällen durchaus üblich, die Beraterlinien aufgeteilt. Daniela Yandimoglu wollte Erstlinie ihres Exmannes Martin werden. Wozu die Zustimmung von LR und Ilhan Dogan (als Upline der Yandimoglus) nötig war. Denn: Beraterumstrukturierungen sind laut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von LR streng verboten. Mit einer Ausnahme: Wenn nämlich LR und die betroffenen Uplines zustimmen.

Diese Zustimmung sollen laut Darstellung von Martin Yandimoglu sowohl LR als auch Ilhan Dogan schon 2004 erteilt haben. Zu einem Zeitpunkt, als „Dogan und Yandimoglu noch Freunde waren“. Daniela Yandimoglu wurde also Erstlinie ihres Ex-Mannes Martin.

Kröte geschluckt, Vereinbarung unterschrieben

Zwei Jahre später konnte sich Ilhan Dogan an diese Zustimmung angeblich nicht mehr erinnern. Gegen Zahlung von 50.000 Euro soll Dogan in 2006 aber doch (wieder) zur Zustimmung bereit gewesen sein. Yandimoglu will „diese Kröte“ auf angebliches Verlangen von LR geschluckt und sich auf eine entsprechende Vereinbarung eingelassen haben. Es soll ein Vertrag aufgesetzt worden sein, indem er sich verpflichtete „dass LR 50.000 Euro seines Jahresbonus 2010 an Dogan weiterreicht“, so Yandimoglu. Er habe diesen Vertrag unterschrieben und LR zugeleitet.

Im März/April 2008 soll das „Theater“ wieder von vorne losgegangen. Wieder habe Dogan behauptet, nie seine Zustimmung zur Umstrukturierung erteilt zu haben. LR strukturierte auf alle Fälle die Linie Daniela Yandimoglu wieder zurück. Im Prozess begründete LR dies damit, Martin Yandimoglu habe LR hinsichtlich der Zustimmung von Dogan getäuscht.

Chronologie der Prozess-Ereignisse

Geladen war Martin Yandimoglu als Kläger, der von Rechtsanwalt Dr. Buchmüller aus Gütersloh begleitet wurde, der auch Jürgen Liebig in seinen Verfahren gegen LR vertritt. Außerdem ein Mitglied der LR-Geschäftsführung als der beklagten Partei. Weiter die Zeugen Dirc Zahlmann, ehemaliger Vertriebsleiter von LR. Thorsten Nigge, von LR als Vermittler und Schlichter zwischen den zerstrittenen Parteien eingesetzt. Dieter Bartsch, ehemaliger Hauptabteilungsleiter der Bonusabteilung von LR. Und schließlich Ilhan Dogan, nach der Kündigung von Jürgen Liebig der erfolgreichste Networker, den LR vorzuweisen hat.

Thomas Heursen, dessen Anwesenheit allem Anschein nach elementar für die LR-Darstellung gewesen wäre, fehlte. Er überließ das Feld der LR-Justitiarin Hampe (Nachfolgerin von Robert Breum, der bei LR Ende 2008 ausgeschieden ist), und dem LR-Anwalt Dr. Holger Linderhaus.

Heursen mag durch sein Fernbleiben einen möglicherweise aufkommenden Erklärungsnotstand in eigener Sache vermieden haben. Denn: Wo war denn der gesamte Schriftverkehr rund um den „Fall Yandimoglu“ im Geschäftsbereich von Heursen abgeblieben, von dem die LR-Anwälte sagen, er sei im Hause „nicht auffindbar“?

Nicht auffindbar sind offenbar auch eine eidesstattliche Versicherung, abgegeben von Dirc Zahlmann auf Anweisung von Thomas Heursen. Zahlmann sollte damit seinerzeit wohl dokumentieren, dass er mit Dogan telefoniert und dieser sein Einverständnis für die Umstrukturierung dabei erteilt hatte. Außerdem diverse Dienstanweisungen, Genehmigungen und Freigaben des dafür Verantwortlichen (Thomas Heursen), die den internen Ablaufprozess der Umstrukturierung seinerzeit in Gang setzen. Dass die Unterlagen offenbar irgendwie weg sind, fand im Prozessverlauf auch der Richter „sehr dubios“.

Neuling im Network Marketing Geschäft

Heursen und die LR-Geschäftsleitung schickten jedenfalls, wie gesagt, die LR-Justitiarin Hampe. Die erst seit Anfang Dezember 2008 im Unternehmen ist. Ihrem Verhalten im Prozess nach offenbar ein Neuling im Network Marketing Geschäft. Der Richter fragte sie: „Frau Hampe, ich habe das Gefühl, dass sie ihr eigenes System nicht verstehen“? Auf alle Fälle brachte Hampe sich stets engagiert ein. So engagiert, dass der Richter die LR-Vertreterin an die Prozessordnung erinnern musste. Bis es ihm dann irgendwann zu bunt wurde und er sinngemäß androhte: „Noch ein Zwischenruf, dann schmeiß ich sie raus.“

Für LR stand nur der Top-Networker Ilhan Dogan als Zeuge zur Verfügung. Im Kampf für das, was LR als „Wahrheit“ darstellen möchte. Die LR-Anwälte wirkten zeitweise hilflos und beschwerten sich allenthalben beim Richter über die vielen für LR höchst unangenehmen Fragen und Antworten. Schließlich sei doch die Presse im Saal. Der Richter meinte dazu nur, dass die Prozessordnung nun mal Zuschauer in öffentlichen Verhandlungen durchaus vorsehe.

Lautes Gelächter, entsetztes Stöhnen

Zur Zeugenbelehrung und Anmahnung der Wahrheitspflicht war von Ilhan Dogan weit und breit nichts in Sicht. Er platzte reichlich abgehetzt mit ca. 40 Minuten Verspätung in den Saal – er habe im Stau gestanden und habe sich dafür beim Landgericht schon vorweg telefonisch entschuldigt.

Dann ging es zur Sache. Hat LR die Umstrukturierung von Daniela Yandimoglu mit oder ohne Zustimmung von Dogan vorgenommen? Was die Zeugen dazu aussagten, brachte soviel Erstaunliches zu Tage, dass den Zuschauern zeitweise der Atem stockte. Lautes Gelächter kam auf. Entsetztes Stöhnen war zu hören.

Etwa als offenbar wurde, dass seit dem Abgang des damals verantwortlichen LR-Mitinhabers Achim Hickmann, die Zahl der Umstrukturierungsanträge „exorbitant“ gestiegen sei. Was die Umstrukturierung Daniela Yandimoglu angeht, sagten die Zeugen Nigge, Bartsch und Zahlmann übereinstimmend, Dogan sei einverstanden gewesen. Schon 2004 und dann noch mal 2006, dann aber nur noch gegen Zahlung von 50.000 Euro. Die Zeugen bestätigten damit eindeutig die Darstellung von Martin Yandimoglu. Schon 2004, so beispielsweise Zahlmann, habe Heursen ihm nach Rücksprache mit Dogan die schriftliche Weisung erteilt, dem Wunsch von Martin und Daniela Yandimoglu zu entsprechen.

Zahlmann erklärte darüber hinaus, dass er auch in einem persönlichen Gespräch von Dogan auf einem Großmeeting die Zustimmung für die Umstrukturierung erhielt. Das Gespräch, bei dem er von Dogan auch eine Krawatte geschenkt bekommen habe, lasse sich durch Fotos belegen. Was Ort und Datum anbelangt, hat sich Zahlmann allerdings vertan, was ihm die LR-Anwälte vorhielten.

Das in Rheda-Wiedenbrück geplante Meeting, fand wohl erst einige Wochen später in Bielefeld statt. Es war die einzige Gelegenheit, in der die LR-Anwälte Punkte sammeln konnten. Zahlmann relativierte daraufhin seine Aussage. Er sprach nun von einem „Großmeeting“, das im Kontext der Auszahlung der Jahresbonusschecks gestanden habe. Und das hat definitiv auch stattgefunden. Dogan bestreitet indes, bei dieser Gelegenheit mit Zahlmann gesprochen und ihm eine Krawatte geschenkt zu haben.

„Dogan bekommt von LR alles was er will“

Zum besonderen Höhepunkt geriet die Aussage von Dieter Bartsch. Der erklärte, er habe ein Gespräch mit der LR-Geschäftsführung (damals noch Nigel Mould) geführt, in dem er sich weigerte, für den Bonuslauf von LR überhaupt weiter verantwortlich zu zeichnen. „Das ist alles Betrug“, habe er zu Mould gesagt. CEO Mould reagierte laut Bartsch mit den Worten „Herr Bartsch, das ist kein Betrug, das ist intern“. Weiter sagte der Zeuge Bartsch, „Dogan bekommt von LR alles was er will“.

Doch um welchen Preis, fragten sich die Prozessbeobachter unweigerlich.

Thomas HeursenNun nahte der Showdown. Dogan betrat den Zeugenstand. Anfangs lief alles recht entspannt. Der Richter ließ sich Dogans Tätigkeit beschreiben. Stellte Fragen zum Sachverhalt. Dogan kannte die Aussagen der vorherigen Zeugen nicht. „Mich hat keiner gefragt.“ Zwischenzeitliches Aufstöhnen im Publikum begann ihn sichtbar zu irritieren. Die LR-Anwälte waren nervös und angespannt. Sie versuchten durch Zwischenrufe wechselweise den Richter und den gegnerischen Anwalt Dr. Buchmüller aus dem Konzept zu bringen. Was nicht klappte.

„Der macht ja nur was Heursen ihm sagt“

Dogan jedenfalls stellte den Sachverhalt erwartungsgemäß eben anders dar, als alle Zeugen vor ihm. So bestritt er, jemals mit dem ehemaligen LR-Vertriebsleiter Deutschland, Dirc Zahlmann, über die Umstrukturierung Daniela Yandimoglu gesprochen zu haben. „Der macht ja nur was Heursen ihm sagt“, führte Dogan aus. Und weiter: „Meine Ansprechpartner sind nur die Geschäftsführer Heursen und Dr. Jens Abend.“ Er bestritt auch gegenüber den Zeugen Nigge und Bartsch eine Zustimmung erklärt zu haben.

Trotz erneuter Gegenüberstellung mit den anderen Zeugen blieb Dogan bei seiner Darstellung. Was den Anwesenden seltsam vorkam. Man fragte sich unweigerlich, ob Dogan wohl vergessen haben könnte, dass neben den Zeugen im Saal ja auch möglicherweise Telefonrechnungen mit Einzelverbindungsnachweisen und Protokolle existieren, die eventuell gegenteiliges belegen. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Unterlagen, der Staatsanwaltschaft Münster, im Zuge des Ermittlungsverfahren gegen Dogan wegen Verdacht auf Steuerhinterziehung, wohl vorliegen könnten. Ob diese Unterlagen dann mithin Auswirkungen auf die Zeugenaussage haben würden, ist bisher noch nicht bekannt. Aber: Es ist nicht auszuschließen, denn der Richter hatte ausdrücklich auf die Bestrafung für uneidliche Falschaussagen hingewiesen. Das galt übrigens für alle Zeugen.

Dogan behauptete also weiter, er habe den schriftlichen Vertrag mit der 50.000 Euro-Zahlungsverpflichtung nie gesehen. Diesen hätten ihm erst viel später Heursen und Nigge oder „sonstjemand mal gezeigt“, so Dogan wörtlich.

Keine Post, kein Fax in der Türkei

Während Dogan daran festhielt, er habe auch niemals für die Zustimmung irgendetwas gefordert, sprachen die Zeugen Bartsch und Nigge gar von 200.000 Euro, die der Top-Berater im Jahr 2006 ursprünglich haben wollte. Dieser Betrag, so die Zeugen, sei dann auf 100.000 Euro reduziert worden, wovon LR die Hälfte übernommen haben soll. Reaktion: Gelächter im Saal.

Nein nein, so Dogan, er habe wirklich niemals bei Bartsch Einverständnis für die Umstrukturierung signalisiert. Was Bartsch anders erinnert (der 15 Jahre Schöffenrichter am Landgericht war). Er habe Dogans „Ja“ seinerzeit protokolliert und an den jetzigen LR-CEO Dr. Abend gemeldet. Bartsch sagte ebenfalls, er habe Martin Yandimoglu dazu aufgefordert, den Vertrag per Brief und Fax an Dogan zu übersenden. Was geschehen sei, bezeugte Yandimoglu. Während andererseits Dogan nie ein Exemplar dieser Vereinbarung per Post oder Fax an seine türkische Adresse erhalten haben will.

Auf die Hinweise des Richters, er habe jeden Monat in seiner Bonusabrechnung die Umstrukturierung Daniela Yandimoglu bemerken müssen, weil diese für ihn einen Einkommensverlust von 7.000 bis 8.000 Euro bedeutete, meinte Dogan lapidar: „Ich gucke nicht monatlich auf meinen Bonusscheck. Und ich gucke nicht in Linien mit einer Millionen Umsatz im Monat“. Der Richter verwies ihn daraufhin auf kaufmännische Pflichten. Dogan beharrte aber darauf, er müsse seine Abrechnungen nicht prüfen.

Kaution: 2 Millionen

Der Richter ermahnte die Zeugen mehrfach: „Es gibt nur eine Wahrheit, die Wahrheit ist unteilbar.“ Was den geschickten Fragen von Dr. Buchmüller zupass kam, der die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dogan zu hinterfragen begann. Dogan weigerte und sträubte sich minutenlang, unterstützt von lautstarken Protesten der LR-Anwälte, Buchmüllers Fragen zu beantworten.

Verkürzt dargestellt lauteten die so: Ob Dogan die Kündigung von Martin Yandimoglu und Jürgen Liebig forciert hat? Ob gegen ihn wegen mutmaßlicher Steuervergehen ermittelt wird? Ob es gegen ihn einen Haftbefehl gibt? Wie hoch die geleistete Kaution war und wer diese bezahlt hat? Schließlich gestand Dogan ein: Ja, er habe LR aufgefordert, Jürgen Liebig zu kündigen. Stritt aber ab, auch die Kündigung von Yandimoglu gefordert zu haben.

Richtig sei außerdem, dass LR ihn gegen Zahlung von zwei Millionen Euro Kaution nach fünf Wochen aus der Untersuchungshaft befreite. In anderen Worten, und das kam unmissverständlich ans Licht: Dogan verdankt LR seine wiedergewonnene Freiheit. Was unter den Prozessbeobachtern die Frage aufwarf, wie abhängig der Spitzennetworker von der Beklagten Partei LR wohl ist, deren einziger Zeuge er war.

Was bleibt ist: Noch ist kein Urteil gesprochen. Doch da muss jemand grob die Unwahrheit gesagt haben. Ein einzelner Zeuge oder die anderen drei Zeugen. Wer hier seiner Wahrheitspflicht vor Gericht nachkam oder eben nicht, müsste Thomas Heursen eigentlich ganz genau wissen. Aber der war ja nicht erschienen.

Anmerkung:
Netcoo ist mit der Nr. 1 von LR, Ilhan Dogan, in Kontakt. Am Rande der Gerichtsverhandlung und zwei Tage danach haben Gespräche stattgefunden. Er ist bereit, ausführlich Auskunft zu geben. Ganz im Gegensatz zu LR Health & Beauty Systems, kommuniziert Dogan sehr wohl mit Netcoo.

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